Wie kann eine staatliche Grundsicherung aussehen?
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende – besser bekannt als „Hartz IV“ – ist ein steuerfinanziertes staatliches Fürsorgesystem. Die Gesellschaft unterstützt auf diese Weise Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln decken können. Übergeordnetes Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist es, Leistungsberechtigten zu „ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht“ (§ 1 SGB II). Im Jahresdurchschnitt 2019 erhielten 5,5 Millionen Menschen Leistungen der Grundsicherung, davon waren 3,9 Millionen erwerbsfähige Leistungsbeziehende. Die Akzeptanz staatlicher Fürsorgesysteme ist ein wesentlicher Baustein des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende folgt dem sozialpolitischen Grundsatz von „Fördern und Fordern“. Die Jobcenter können Leistungsbeziehende durch bestimmte Förderleistungen auf dem Weg zur Aufnahme einer Erwerbsarbeit unterstützen. Auf der anderen Seite gelten für Leistungsbeziehende bestimmte Mitwirkungspflichten. Sie müssen beispielsweise selbst nach einer neuen Arbeitsstelle suchen, jedes zumutbare Stellenangebot und jede zumutbare Eingliederungsmaßnahme annehmen, unabhängig von ihrer Ausbildung, ihrer vorherigen Tätigkeit und ihrem früheren Verdienst. Zudem müssen sie regelmäßige Gesprächstermine in den Jobcentern wahrnehmen. Kommen Leistungsberechtigte diesen Mitwirkungspflichten nicht nach, sieht das Gesetz Sanktionen vor. In diesen Fällen wird das Arbeitslosengeld II für eine gewisse Zeit gekürzt.
Die Grundsicherung für Arbeitssuchende ist seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 2005 umstritten. Vor allem die Ausgestaltung und Durchsetzung von Mitwirkungspflichten wird immer wieder kritisch diskutiert. Eine vorübergehende Kürzung existenzsichernder Leistungen schafft eine außerordentliche Belastung für die Leistungsbeziehenden. Dies betonte auch das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil vom November 2019, das besonders harte Sanktionen für verfassungswidrig erklärte.
Wie kann ein gerechtes Grundsicherungssystem aussehen? Welche bestehenden Regelungen erfahren Akzeptanz, welche nicht, und warum werden diese als (nicht) legitim erachtet? Wie sollen Mitwirkungspflichten ausgestaltet und durchgesetzt werden? Sind Sanktionen notwendig und gerechtfertigt? Wie sollten Rechte und Pflichten im Kontakt zwischen Jobcenter und Leistungsberechtigten kommuniziert und festgehalten werden? Und welche Rolle spielt die Wahrnehmung der Jobcenter und der Leistungsbeziehenden in der Öffentlichkeit?
Diesen und ähnlichen Fragen könnte sich ein spannendes YES!-Projekt widmen.

Wissenschaftlicher Partner:

Betreuer der YES!-Teams und Autor des Themenvorschlags:
Martin Dietz
Dr. Martin Dietz studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und promovierte an der Phillips-Universität Marburg. Am IAB leitet er die Stabsstelle Forschungskoordination und befasst sich schwerpunktmäßig mit Forschung zur Beratung und Vermittlung von Arbeitslosen.
Monika Senghaas
Dr. Monika Senghaas ist Sozialwissenschaftlerin und promovierte an der Universität Leipzig. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am IAB und beschäftigt sich mit der Beratung und Vermittlung Arbeitsloser sowie den Grundlagen und dem Wandel sozialer Sicherung.