Tatsächliche, individuelle und gefühlte Preissteigerung – Wie wird Inflation verständlich?
Im September 2021 lag die Inflationsrate in Deutschland, d.h. die durchschnittliche Preissteigerung, bei 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und damit so hoch wie seit 28 Jahren nicht mehr. Bis Jahresende dürfte diese wohl noch höher werden. Diese Entwicklung macht vielen Leuten Sorgen, die bei ihren täglichen Einkäufen z.B. im Supermarkt und beim Tanken sehen, dass das Geld nicht mehr reicht. Die meisten Ökonomen*innen bleiben allerdings gelassen und warnen vor Panikmache (z.B. Bernoth und Wittenberg, 2021). Die tatsächliche Inflation wird vom statistischen Bundesamt berechnet. Diese Größe ist aber oftmals schwer greifbar und viele haben das Gefühl, dass diese aggregierte Größe die Wahrheit nicht ausreichend widerspiegelt. Wie lässt sich diese Diskrepanz erklären und auflösen?
Das statistische Bundesamt berechnet die aggregierte Inflation unter anderem mithilfe eines repräsentativen Güterbündels. Dieses Güterbündel muss aber nicht unbedingt mit dem durchschnittlichen Konsum von jeder Person in Deutschland übereinstimmen. Zum Beispiel fahren manche mit dem Auto zur Schule oder Arbeit und andere mit dem Fahrrad. Hierdurch hat der Benzin- oder Dieselpreis eine andere Auswirkung auf die individuelle Preisentwicklung von Autofahrer*innen als auf Fahrradfahrer*innen. Somit unterscheiden sich aggregierte und individuelle Inflation.
Zudem werden Preisveränderungen ganz unterschiedlich wahrgenommen, je nachdem welches Vorzeichen diese haben. Zahlreiche Studien belegen, dass wir Preissteigerungen deutlich mehr wahrnehmen als Preissenkungen. Dies entspricht einem generellen Muster, das die Verhaltensökonomik gut belegt hat: Verluste gewichten wir höher als Gewinne. Daher unterscheidet sich die gefühlte von der tatsächlichen Inflation. Dieser Effekt hängt zudem stark von Charakteristika wie Geschlecht, Alter, o.ä. ab (Conrad, Enders und Glas, 2021).
Zunächst sollten die Schüler:innen über die Frage nachdenke, ob Inflation eigentlich immer schlecht ist. Hat Inflation auch einen Nutzen (z.B. Weichenrieder und Gürer, 2020)? Weitere Ansatzpunkte können sein: Inwiefern erklären unterschiedliche Warenkörbe die wahrgenommenen Inflationsunterschiede? Welche weiteren Gründe gibt es? Versteht jeder und jede was Inflation und Deflation ist? Und wie können wir diese Wahrnehmungsprobleme lösen?

Wissenschaftlicher Partner

Betreuende Forschende
Britta Gehrke
Britta Gehrke ist seit April 2020 Professorin für Angewandte Makroökonomie an der Universität Rostock. Sie ist außerdem mit dem Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung (IAB) Nürnberg und dem IZA – Institute of Labor Economics affiliiert. Von 2015 bis 2020 war sie Juniorprofessorin für Makroökonomik und Arbeitsmarktforschung an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg und am IAB. Auslandsaufenthalte führten sie an die University of Queensland und Adelaide (Australien) und an die Reserve Bank of New Zealand. Sie erlangte ihren Doktortitel 2014 an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.
Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich der angewandten Makroökonomie mit einem Fokus auf der makroökonomischen Analyse von Arbeitsmärkten. Ihre Projekte widmen sich z.B. der Analyse von Konjunkturpolitik, wie Kurzarbeit oder Fiskalpolitik, strukturellen Reformen oder der Interaktion von Finanz- und Arbeitsmärkten. Ihre Arbeiten sind in referierten internationalen Fachzeitschriften erschienen und sie ist Associate Editor beim Journal for Labour Market Research. Zudem ist sie in der wirtschaftspolitischen Beratung aktiv.
Erik Dasenbrock

Foto: Privat
Erik Dasenbrock ist seit April 2020 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Angewandte Makroökonomie an der Universität Rostock. Zuvor studierte er Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen und war für ein Semester an der Norwegian School of Economics in Bergen.
Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich Makroökonomie mit Fokus auf Secular Stagnation und Arbeitsmärkten.