Lost Generation? – Die pandemiebedingte Bildungslücke und Chancengleichheit in der Bildung
Im Zuge der Pandemiebekämpfung wurden seit März 2020 die Schulen wiederholt geschlossen. Während Grundschüler:innen soweit möglich in Präsenz oder zumindest im Wechselunterricht beschult wurden, fiel für viele Schüler:innen der Klasse fünf und höher – mit Ausnahme der der Abschlussklasse – der Präsenzunterricht für bis zu 20 Wochen weg. Das ist mehr als die Hälfte eines gesamten Schuljahrs.
Bisher gibt es noch keine belastbaren Zahlen zu der entstandenen Bildungslücke. Allerdings legen Elternbefragungen nahe, dass sich die Lernzeit der Schüler:innen in Zeiten der Schulschließung halbiert hat. Weiter gab mehr als die Hälfte der Eltern an, dass ihre Kinder weniger als einmal pro Woche online unterrichtet wurden. Die Lernverluste unterscheiden sich dabei je nach Leistungsstärke und Haushaltskontext der Schüler:innen.
Die zunehmende Digitalisierung der Schulen während des ersten Lockdowns hat zwar dazu geführt, dass die Schüler:innen und Lehrer:innen im zweiten Lockdown wesentlich besser in Kontakt standen. Allerdings ist auch hier zu befürchten, dass eine erhebliche Differenz der Lernzeiten zwischen dem Stand vor und während der Pandemie bestehen bleibt. In einer Studie über Schulschließungen während der Pandemie in den Niederlanden wurde gezeigt, dass eine achtwöchige Schließung (20% des Schuljahres) zu im Durschnitt 20% schlechteren Ergebnissen in der jährlichen Lernstandserhebung geführt haben.
Ökonom:innen haben bereits in vergangenen Beispielen die Folgen von verringerter Lernzeit untersucht. In empirischen Studien wurden die Wirkungen von länger anhaltenden Streiks von Lehrkräften in Belgien, vorab geplanter Kurzschuljahre in Deutschland oder den langen Sommerferien in den USA analysiert. Im Ergebnis zeigt sich ein robuster positiver Zusammenhang von Schulbesuch und Kompetenzentwicklung. Die niedrigeren Kompetenzen aufgrund der verlorenen Lernzeit führen zu schlechteren Berufschancen und langfristig zu einem niedrigeren Lebenseinkommen. Die negativen Auswirkungen verringerter Lernzeit sind stärker bei Schüler:innen aus bildungsfernen Haushalten, die beim Lernen verstärkt auf die Unterstützung von Lehrkräften angewiesen sind. Das bestätigt sich auch in den Untersuchungen der pandemiebedingten Schulschließungen Dadurch wird die Bildungsungleichheit weiter zunehmen, das heißt leistungsstärkere und leistungsschwächere Schüler:innen entwickeln sich weiter auseinander.
Deshalb ist es von besonderem gesellschaftlichem Interesse, die entstandene Bildungslücke so gut wie möglich zu schließen und Chancengleichheit in der Bildung zu wahren. In diesem Projekt sollen mögliche Maßnahmen diskutiert und die Evidenz zu ihren Wirkungen nachvollzogen werden. Vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse soll abgewogen werden, welche Maßnahmen sich aus ökonomischer Perspektive dazu eignen, diese Ziele zu erfüllen.


Betreuende Forschende
Theresa Markefke

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Theresa Markefke ist seit Herbst 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wirtschaftspolitik. Nach ihrem Bachelorstudium in Politik und Wirtschaft (B.A.) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Corvinus Universität Budapest absolvierte sie den Masterstudiengang Economics (M.Sc.) an der Universität zu Köln. Schwerpunkte des Masterstudiums lagen auf „Wachstum, Arbeitsmärkten und Ungleichheit in der globalen Wirtschaft“, „Finanzwissenschaften“ und „Sozialpolitik“. Während ihres Studiums sammelte sie praktische Erfahrungen unter anderem als Praktikantin im Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung sowie als studentische Hilfskraft am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit.
Felix Mindl

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Felix Mindl ist seit dem Frühjahr 2019 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik. Nach dem Bachelorstudium in Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln und der Universidad ESAN in Lima, Peru, absolvierte er auch seinen Master of Economics in Köln. Seine Schwerpunkte lagen dabei auf “Markets & Institution”, “Entrepreneurship” sowie „digitale Ökonomie”. Neben dem Studium sammelte er praktische Erfahrungen als studentische Hilfskraft im hochschulgründernetz cologne (hgnc) und als wissenschaftliche Hilfskraft beim Lehrstuhl für „Industrial Economics and Applied Microeconometrics”.