Kinder großziehen und gleichzeitig arbeiten? Wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch familienpolitische Projekte gelingen kann
Eine Familie zu gründen und Kinder zu bekommen, ist eine sehr private Entscheidung. Sie hängt von der Größe des Kinderwunsches eines Paares ab. Aber die Erfüllung des Wunsches hängt auch von den Rahmenbedingungen ab, unter denen das Paar lebt. Das kann die Frage betreffen, ob man die finanziellen Mittel hat, um Kinder großzuziehen, oder es hängt davon ab, ob man genug Zeit hat, sich um die Kinder zu kümmern. Diese Rahmenbedingungen hängen nicht unwesentlich von staatlichen Institutionen und politischen Entscheidungen ab.
Außerdem hat diese private Entscheidung Folgen für die Gesellschaft insgesamt. Kinder sind die Bürger:innen, die Arbeitnehmer:innen, die Unternehmer:innen, die Steuerzahler:innen der Zukunft. Ohne die Leistung der Familien, Kinder großzuziehen, könnte keine Gesellschaft funktionieren. Deshalb fördert der Staat die Familie und schafft Voraussetzungen, Familien leichter zu gründen. Die Familienpolitik ist eine zentrale Aufgabe des Staates.
Die Kinderzahl ist in Deutschland seit langer Zeit gering. Die Geburten pro Frau sind durch die Einführung der Pille Mitte der 1960er Jahre von durchschnittlich 2,5 auf 1,4 Geburten Ende der 1970er Jahre gefallen. Erst in den letzten 10 Jahren ist die Geburtenzahl leicht auf 1,6 gestiegen. Da ein Paar ungefähr zwei Kinder zur Welt bringen muss, damit die Bevölkerungszahl in einer Gesellschaft konstant bleibt, bedeutet die deutsche Geburtenzahl, dass die Bevölkerung schrumpft und immer älter wird. Das hat Konsequenzen auf dem Arbeitsmarkt, für die Finanzierung der Renten und generell für die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft.
Welche Gründe hat diese geringe Kinderzahl? Ein Grund ist, dass heutzutage in der Regel beide Eltern arbeiten gehen (wollen). Männer wie Frauen in Paarbeziehungen gehen heute überwiegend beide einer Erwerbsarbeit nach. Die Frauenerwerbsquote ist seit 1970 von 46 auf 73 Prozent im Jahr 2019 gestiegen Der Anteil erwerbstätiger Männer ist im gleichen Zeitraum von 88 auf 80 Prozent gesunken. Für ein Paar, bei dem beide arbeiten gehen, wird es schwierig, Kinder aufzuziehen und bestmöglich zu versorgen.
Um einer Familie zu ermöglichen, dass beide Eltern arbeiten gehen können und die Kinder gut versorgt sind, muss es externe Unterstützung bei der Kinderbetreuung geben. Da dies nicht immer durch andere Familienangehörige wie zum Beispiel die Großeltern geleistet werden kann, muss es entweder private Betreuungsangebote geben, die als Dienstleistungen auf einem Markt bezahlt werden müssen. Oder der Staat muss solche Betreuungsangebote machen, finanzieren oder zumindest subventionieren.
Welche Konzepte können grundsätzlich den Familien helfen, Beruf und Kinder zu vereinbaren? Wie kann ein staatlich gefördertes Kinderbetreuungsangebot für Familien aussehen? Wie kann der Staat die Lücke im Betreuungsangebot schließen? Wie kann dieses Angebote auch sozialverträglich, sprich zu erschwinglichen Preisen, allen Familien zugänglich gemacht werden? Welche privaten Initiativen könnte es geben? Welche Maßnahmen ließen sich regional umsetzen, damit Eltern auch bei leichten Krankheiten ihrer Kinder nicht komplett am Arbeitsplatz ausfallen? Oder wie können Eltern einer Erwerbsarbeit nachgehen, die für beide bis in den frühen Abend hineingeht, auch wenn die Grundschule schon mittags oder am frühen Nachmittag beendet ist und die Kinder zu klein sind, um allein zu Hause zu sein?

Wissenschaftlicher Partner

Betreuende Forschende
Robert Fenge
Robert Fenge ist seit 2010 Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, an der Universität Rostock. Er hat Volkswirtschaftslehre und Philosophie in Berlin und Bonn studiert. Seine Promotion in Volkswirtschaftslehre hat er 1997 an der Universität Magdeburg abgeschlossen und wurde 2006 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München habilitiert. Von 1999 bis 2009 hat er am Münchner ifo Institut für Wirtschaftsforschung gearbeitet. Seine Forschungsgebiete sind die Sozialpolitik, Familienpolitik, Arbeitsmärkte in alternden Gesellschaften sowie der Fiskalföderalismus.
Ekaterina Gavrilova

Foto: Privat
Ekaterina Gavrilova ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft an der Universität Rostock. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich (theoretisch und empirisch) mit interpersonalen Beziehungen und kollektiven Entscheidungsfindungen in Haushaltsmodellen. Sie hat an der Universität Rostock Volkswirtschaftslehre studiert und sich während ihres Studiums mit ökonomischen und ethischen Fragen der Migration und Umwelt befasst.
Felix Kunert

Foto: Privat
Felix Kunert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft der Universität Rostock und forscht aktuell zu Fragen der Grundsicherung im Alter und zur Frauenquote. Er studierte Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre an der Leuphana Universität Lüneburg und Steuerlehre an der Georg-August-Universität Göttingen.