Sozialer Aufstieg durch Bildung – Förderung der Chancengleichheit von Arbeiterkindern beim Hochschulzugang

Die soziale Mobilität, also unsere Chance zum sozio-ökonomischen Aufstieg, ist in Deutschland im internationalen Vergleich eher gering. Zu diesem Fazit kommen immer wieder Studien zum Thema (z.B. OECD 2018). Ein wichtiger Grund dafür ist, dass Kinder aus nichtakademischen Haushalten (sog. “Arbeiterkinder”) weniger häufig einen Hochschulabschluss erreichen, als dies bei Kindern von Akademikern der Fall ist. Während von 100 Kindern aus Akademikerfamilien durchschnittlich 79 ein Studium beginnen, sind es bei Kindern von Nicht-Akademikern lediglich 27 (Kracke et al. 2018). Auch die Wahrscheinlichkeit das Studium erfolgreich abzuschließen ist für Arbeiterkinder geringer.
Die Gründe hierfür sind vielseitig. Zum einen hängt bereits die Wahrscheinlichkeit das Abitur zu erreichen – besonders in Ostdeutschland – maßgeblich vom familiären Hintergrund ab (Dodin et al. 2021). Andererseits bestehen Barrieren auch beim Übergang von der Sekundarstufe zur Aufnahme eines Studiums. Hier spielen vor allem Informationsnachteile eine wichtige Rolle (Peter et al. 2016). Schülerinnen und Schüler aus nichtakademischen Haushalten haben oft nicht denselben Zugang zu Informationen über Möglichkeiten der Finanzierung (z.B. Bafög oder Stipendien), die tatsächlichen Leistungsanforderungen des Studiums und den Effekt eines Studiums auf ihr zukünftiges Einkommenspotenzial. Auch die Einstellung der Eltern und die Sorge, sich durch einen „anderen“ Karriereweg von ihnen und dem bisherigen sozialen Umfeld zu distanzieren, scheinen eine Rolle zu spielen (Lergetporer et al. 2018).
Obwohl ein Studium nicht für alle der richtige Weg ist und die deutsche Wirtschaft auch in großem Maße auf gut ausgebildete nichtakademische Fachkräfte angewiesen ist, öffnet es i.d.R. die Tür zu einer breiteren Auswahl an Berufen, die zudem oft besser vergütet werden. Dadurch könnte – vor allem für Kinder aus einem nichtakademischen Elternhaus – die soziale Mobilität nach oben unterstützt werden. Stattdessen wird durch den sog. „Bildungstrichter“ (Kracke et al. 2018) in vielen Fällen die soziale Herkunft zementiert und die Teilhabe am vollen Bildungs- und Ausbildungsangebot erschwert. Dies verstößt nicht nur gegen das gesellschaftliche Gebot der Fairness, sondern führt auch zu gesamtwirtschaftlichen Ineffizienzen, da talentierte Arbeiterkinder davon abgehalten werden ihr volles Potential auszuschöpfen.

Fragestellungen, um einen lösungsorientierten Einstieg in das Thema zu finden:
– Welche Ansätze und Ideen gibt es bereits um die Chancengleichheit von Arbeiterkindern im Bildungsbereich fördern?
– Wie kann man gezielt den Hochschulzugang von Schülerinnen und Schülern aus nichtakademischen und/oder sozial schwächeren Familien fördern?
– Sind dazu fundamentale Reformen des Bildungssystems notwendig, sollten sich die Reformen auf einzelne Akteure beziehen oder sollten sich die Schulen vielleicht sogar selbstständig um konkrete Maßnahmen bemühen?
– Wie wirkt sich eine fortschreitende Akademisierung auf den Arbeitsmarkt aus?
– Wie könnten innovative und umsetzbare Interventionen aussehen, durch die bestehende Informationsnachteile ausgeglichen werden? Welche Rolle spielt es hierbei, eventuell auch die Eltern mit ins Boot zu holen?

Must-Read – Diese Literatur soll das Team zum Kick-Off durchgelesen haben:

Kracke, Nancy; Middendorff, Elke; Buck, Daniel (2018): Beteiligung an Hochschulbildung. Chancen(un)gleichheit in Deutschland. DZHW Brief 3|2018. https://www.dzhw.eu/pdf/pub_brief/dzhw_brief_03_2018.pdf

Peter, Frauke H.; Rusconi, Alessandra; Solga, Heike; Spieß, C. Katharina; Zambre, Vaishali (2016): Informationen zum Studium verringern soziale Unterschiede bei der Studienabsicht von AbiturientInnen. In: DIW Wochenbericht 83 (26), S. 555–565. Online verfügbar unter https://www.econstor.eu/handle/10419/144193.

Weitere Literatur:

Arbeiterkind (2020): Jahresbericht 2019. Online verfügbar unter https://www.arbeiterkind.de/sites/default/files/arbeiterkind.de_jahresbericht_2019_0.pdf.

Mergele, Lukas; Raith, Johanna; Zierow, Larissa (2020): Gleicht Schulbildung soziale Unterschiede aus? In: Wirtschaftsdienst 100 (12), S. 932–936. DOI: 10.1007/s10273-020-2800-6.

OECD (2018): A broken social elevator? How to promote social mobility. Paris: OECD Publishing. Online verfügbar unter https://www.oecd.org/social/soc/Social-mobility-2018-Overview-MainFindings.pdf.

Für Spezialistinnen und Spezialisten:
Dodin, Majed; Findeisen, Sebastian; Henkel, Lukas; Sachs, Dominik; Schüle, Paul (2021): Social Mobility in Germany. CESifo Working Paper No. 9200. Online verfügbar unter https://www.cesifo.org/en/publikationen/2021/working-paper/social-mobility-germany.

Lergetporer, Philipp; Werner, Katharina; Wößmann, Ludger (2018): Does Ignorance of Economic Returns and Costs Explain the Educational Aspiration Gap? Evidence from Representative Survey Experiments. CESifo Working Paper No. 7000. Online verfügbar unter https://www.cesifo.org/en/publikationen/2018/working-paper/does-ignorance-economic-returns-and-costs-explain-educational.

Scientific Partners

Supporting Researchers

Rick Glaubitz

Rick Glaubitz has been a doctoral student in the doctoral programme „Tax and Social Policy with Growing Inequality“ at Freie Universität Berlin since 2019. He is also a visiting researcher at the Socio-Economic Panel (SOEP) of the German Institute for Economic Research (DIW) Berlin. His research interests are in the areas of income and wealth distribution in the long run, effects of the tax and transfer system on labour market behaviour in the household context and health economics.

Johannes Hollenbach

Johannes Hollenbach has been a research assistant and doctoral candidate in the „Health“ competence area at RWI – Leibniz Institute for Economic Research in Essen since 2021. He previously studied economics and international economics and development at the University of Bayreuth. His research interests include health economics, political economy and applied microeconometrics.