Geschlechterstrukturen in Zeiten von Krisen – Wie kann Gleichberechtigung auch in Ausnahmesituationen vorangetrieben werden?
Im Frühjahr 2020 zeigte sich erneut, dass die (Arbeitsmarkt-)Situation von Frauen in Krisen stärker betroffen ist als die der Männer und so das Zurückfallen in alte Familien- und Geschlechterstrukturen begünstigt wird. In der Covid-19 Pandemie waren Frauen überdurchschnittlich von Einkommens- und Arbeitsplatzverlusten betroffen (Shibata, 2020) und vermehrt in Beschäftigungsverhältnissen, die mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko verbunden waren (Raether, 2020). Diese Entwicklungen können sich zum einen auf das psychische Wohlergehen der Frauen auswirken, zum anderen könnten sie die Arbeitsmarktbeteiligung der Frau nachhaltig beeinflussen bzw. reduzieren. Zudem erschwerten zwei Bereiche die Situation für Frauen besonders: Das Ausbleiben der offiziellen Kinderbetreuung zu Beginn der Pandemie verursachte einen verstärkten Betreuungseinsatz von Müttern, der den Einsatz der Väter überstieg. In Deutschland holten die Väter in diesem Bereich zwar auf und investierten überproportional mehr als zuvor in die Kindererziehung (Zinn et al, 2020), den Anteil der Frauen erreichen sie allerdings dennoch nicht. Auch im Bereich der Langzeitpflege waren ähnliche Tendenzen zu beobachten. In einer Ausnahmesituation fordert die Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen eine intensivere Betreuung, so übernehmen Frauen häufiger die Rolle der Pflegenden. Ein Aufholen der Männer war in diesem Bereich allerdings nicht zu beobachten (Fischer und Geyer, 2020).
Mit Bezug auf Covid-19 spricht sich die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für schnell herbeizuführende Reformen aus, die die Benachteiligung und Entwicklungen ausgleichen. Hier werden beispielsweise finanzielle Unterstützung oder alternative Betreuungsangebote als Optionen genannt (OECD, 2020). Schnelles Handeln erscheint sinnvoll, um derzeitigen Entwicklungen entgegen zu steuern. Darüber hinaus ist es notwendig auch langfristig besser auf Ausnahme- und Krisensituationen vorbereitet zu sein. Hierbei sollten gesellschaftliche wie auch individuelle Bedürfnisse beachtet werden. Frauen wie Männer sollten gleichberechtigt die Möglichkeit haben, entsprechend ihrer Präfenzen, mehr oder weniger zu arbeiten bzw. sich mehr oder weniger in Haushalt, Kinderbetreuung oder informeller Pflege zu engagieren. Der Balanceakt liegt darin, Strukturen so zu verändern, dass nicht nur grundsätzliche Ansprüche geschaffen werden, sondern diese auch innerhalb gesellschaftlicher Normen akzeptiert werden.
Zur Lösung des Problems bedarf es eines innovativen Ansatzes, wir freuen uns auf eure Ideen!
Das Thema könnte bei YES! aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Hier wäre zunächst der gesellschaftliche Blickwinkel zu nennen, insbesondere bestehende und sich wandelnde gesellschaftliche Normen erscheinen spannend. Gleichzeitig ist auch der individuelle Blickwinkel von Frauen und Männern separat interessant sowie auch ein partnerschaftlicher Blickwinkel.
Des Weiteren ist auch eine Betrachtung der Perspektive von Kostenträgern (Arbeitgebern oder Krankenkassen) möglich. Insbesondere wäre es sicherlich spannend, einen breiteren, gesamtgesellschaftlichen Überblick über das Thema zu bekommen und dementsprechend Lösungsansätze zu erarbeiten.

Wissenschaftlicher Partner:

Betreuer des YES!-Teams und Autoren des Themenvorschlags:
Rebecca Leber

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Rebecca Leber ist seit April 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insb. Arbeitsmarkt und Gesundheit sowie am RWI. Neben ihrem Masterstudium der Gesundheitsökonomie an der Universität Duisburg-Essen arbeitete sie als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Gesundheitsökonomik und am Lehrstuhl für Finanzwissenschaften.
Anna Werbeck

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Anna Werbeck ist seit 2019 im Kompetenzbereich Gesundheit tätig und promoviert dort zu verschiedenen Themen der Gesundheitsökonomik.