Digitales Lernen in der Schule – Was können wir aus Corona-Zeiten über die Chancen von Online-Angeboten lernen?

Die Corona-Krise und die damit verbundenen Schließungen von Schulen und der Umstieg auf eigenständiges Lernen von Zuhause war für alle Beteiligte ein Sprung ins kalte Wasser. Innerhalb weniger Wochen mussten die technischen Voraussetzungen geschaffen und die Kommunikation zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen neu organisiert werden. Obwohl die Schulen mittlerweile größtenteils zum Präsenzunterricht zurückgekehrt sind, gibt es gute Argumente für eine Fortsetzung des Lernens von Zuhause, ganz unabhängig vom aktuellen Ausmaß der Pandemie. Einige Argumente, die im Rahmen der Diskussion von den Unterstützer*innen der Idee vorgetragen wurden, sind folgende: Das Poolen von Unterrichtsmaterialien zwischen mehreren Schulen, etwa in Form von gefilmten Unterrichtsstunden, löst nicht nur örtlichen Lehrer*innenmangel, sondern vergrößert auch das vorhandene Lehrangebot über das der eigenen Schule hinaus zum Vorteil der Schüler*innen. Gleichzeitig können Lehrkräfte gezielter den Schüler*innen helfen, die am meisten Unterstützung benötigen, während die anderen Schüler*innen eigenständig an den gegebenen Aufgaben weiterarbeiten können, ohne gegenseitig den Lernfortschritt zu behindern. Auch das Format von Klausuren ließe sich überarbeiten: Mehr Raum könnte beispielsweise Take-home Tests eingeräumt werden, bei denen Schüler*innen eigenständig (oder in Gruppen) Prüfungen von zu Hause bearbeiten, unter effektiver Zuhilfenahme von Unterrichtsmaterialien oder weiterführenden Quellen. Dadurch könnten andere Aspekte geprüft werden, als lediglich das „bloße Auswendiglernen“ des Stoffs. Nicht zu vergessen ist außerdem das regelmäßige Arbeiten am eigenen Computer, um etwa digitale Kompetenzen zu trainieren, sowie die Zeitersparnis durch den nicht mehr notwendigen Weg zur Schule.

Eine Reihe von wichtigen Fragen stellt sich hierbei, die ein überzeugendes Konzept mit Potential für die Praxis überzeugend adressieren müsste:
– Von Zuhause zu lernen und Unterrichtsmaterialien abzurufen, erfordert einige technische Voraussetzungen, die nicht bei allen gleichermaßen vorhanden sind, etwa ein geeigneter Arbeitsplatz sowie Laptop oder PC. Das Konzept sollte also berücksichtigen, dass der technische Aufwand und notwendige finanzielle Ausgaben auf ein Minimum reduziert werden oder anderweitig gelei-stet werden können, etwa durch die gemeinsame, zeitlich versetzte Nutzung von notwendigem Equipment.
– Die soziale Interaktion und der kritische Dialog mit Mitschüler*innen und Lehrer*innen, die das gemeinsame Erarbeiten von neuen Inhalten und Resultaten möglich machen, sind nicht ohne Weiteres per Skype o.Ä. möglich, aber essentieller Bestandteil der sozialen Entwicklung in der Schulzeit. Wie ist den-noch sichergestellt, dass der gemeinsame Austausch während des Unterrichts nicht zu kurz kommt? Sollte die digitale Präsenz auf wenige Tage pro Woche beschränkt sein und der Rest etwa physisch stattfinden oder gibt es beispielsweise rotierende Kleingruppen, die sich jeweils untereinander treffen und gemeinsam Inhalte erarbeiten als Kompromiss?
– Es wird oft darauf hingewiesen, dass das Lernen von Zuhause schnell zu Home-Schooling uminterpretiert wird, bei dem die Eltern das Unterrichten größtenteils übernehmen. Je nach Ausbildung der Eltern ergeben sich daraus große Nachteile für solche Schüler*innen, die aus einem vergleichsweise schwächeren Bildungshaushalt kommen. Wie kann also garantiert werden, dass der Unterricht tatsächlich von der Lehrkraft geleistet wird und keine Vor-/Nachteile für bestimmte Schüler*innengruppen entstehen?
– Wie bleibt Lernfortschritt einzelner Schüler*innen für Lehrer*innen messbar und kontrollierbar? Die Gefahr, dass einzelnen Schüler*innen aus dem Sichtfeld der betreuenden Lehrer*innen geraten, ist ohne physische Präsenz nicht unerheblich und erfordert andere Mechanismen. Auch stellt sich die Frage, wie Schüler*innen mit offensichtlichen Schwierigkeiten mit dem Unterrichtsstoff am besten geholfen werden kann, sollte es notwendig sein.

Digitales Lernen in der Schule scheint eine Reihe von sinnvollen Ergänzungen zum herkömmlichen Präsenzunterricht in der Schule leisten zu können, ist jedoch nicht frei von Herausforderungen vielerlei Art. Im Rahmen dieses Projekt sollte von den Schüler*innen ausgelotet werden, wie ein effizientes digitales Lernkonzept in der Zukunft aussehen könnte, welches die Vorteile ausnutzt und gleichzeitig die Schwachstellen zu minimieren versucht. Grundlage für die Ausarbeitung eines solchen Konzepts könnten zuallererst die eigenen Erfahrungen sein, die die Schüler*innen in der jüngsten Vergangenheit selbst gemacht oder vom Hörensagen mit-bekommen haben.

Must-Read – das Team sollte in Vorbereitung auf das Kick-Off-Gespräch folgendes gelesen haben: 

Tengler, K., Schrammel, N., & Brandhofer, G. (2020). Lernen trotz Corona. Chancen und Herausforderungen des distance learning an österreichischen Schulen. Medienimpulse, 58(02). Abzurufen unter: https://doi.org/10.21243/mi-02-20-24

Wößmann, L., Freundl, V., Grewenig, E., Lergetporer, P., Werner, K., & L. Zierow (2020). Bildung in der Coronakrise: Wie haben die Schulkinder die Zeit der Schulschließungen verbracht, und welche Bildungsmaßnahmen befürworten die Deutschen? ifo Schnelldienst 09/2020, 73. Jahrgang, 16. September 2020. Abzurufen unter: https://www.ifo.de/publikationen/2020/aufsatz-zeitschrift/bildung-der-coronakrise-wie-haben-die-schulkinder-die-zeit

Weitere Literatur:

Deutsche Welle (2020). Corona: Deutsche Schulen sind auf E-Learning schlecht vorbereitet. Abzurufen unter: https://www.dw.com/de/corona-deutsche-schulen-sind-auf-e-learning-schlecht-vorbereitet/a-52840504

Huebener M. & L. Schmitz (2020). Corona-Schulschließungen: Verlieren leistungsschwächere SchülerInnen den Anschluss? Abzurufen unter: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.758242.de/diw_aktuell_30.pdf

Meyer, H. (2020). Didaktische Maßstäbe für Homeschooling in Corona-Zeiten. Abzurufen unter: https://www.cornelsen.de/magazin/beitraege/didaktische-massstaebe-homeschooling

Pädagogische Hochschule Niederösterreich (2020). Lernen digital. Abzurufen unter: https://www.lernendigital.at/

Wissenschaftlicher Partner:

ifo Leibniiz-Institut für Wirtschaftsforschung

Betreuer der YES!-Teams und Autoren des Themenvorschlags:

Daniel Stöhlker

Daniel Stöhlker

Foto: (c) ifo Institut

Daniel Stöhlker ist Doktorand am ifo Institut in München im Bereich der Steuer- und Fiskalpolitik. Seine Forschungsinteressen umfassen vor allem Fragen der optimalen Besteuerung von Unternehmen sowie Governance der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Lavinia Kinne

Foto: (c) ifo Institut

Lavinia Kinne ist Doktorandin am ifo Institut in München im Bereich Bildungsökonomik. Ihre Forschungsinteressen liegen hauptsächlich im Bereich Geschlechterunterschiede sowie der Relevanz von Bildung auf dem Arbeitsmarkt, sie forscht aber auch zu internationalen Vergleichen von Bildungssystemen.