Die Berufswahl von Frauen und Männern – ein Klischee? Warum ist das so und (wie) kann man das ändern?
Erzieherinnen, Kinderärztinnen, Bauarbeiter, Physiker – viele Berufe in Deutschland werden typischer Weise von Frauen oder von Männern ausgeübt. Daran hat sich auch in den letzten drei Jahrzehnten wenig geändert. Das ist umso erstaunlicher, weil Unterschiede zwischen Männern und Frauen in vielen anderen Bereichen wie Erwerbs- und Bildungsbeteiligung oder Geschlechternormen geringer geworden oder gar verschwunden sind. Auch wenn die Berufswahl mit unterschiedlichen individuellen Interessen zusammenhängt, so ist sie eng mit weiteren Ungleichheiten am Arbeitsmarkt wie Einkommen, Karrierechancen und Aspekten von Vereinbarkeit verknüpft. Vor diesem Hintergrund werden Ursachen und Konsequenzen der geschlechts(un)typischen Berufswahl in Forschung und Medien immer wieder diskutiert und Initiativen wie der Girls Day oder Boys Day wollen zu Veränderungen beitragen. Große Brüche sind jedoch nicht zu erwarten, wenn man bedenkt, dass Mädchen und Jungen schon im Kindergarten- und Grundschulalter aus ihrem sozialen Umfeld, den Medien und alltäglichen Beobachtungen z.B. in der Arztpraxis oder auf der Baustelle gelernt haben, welche Berufe typisch männlich oder weiblich sind. Aber auch noch im späteren Alter können Weichen gestellt werden. Forschungsergebnisse zeigen etwa, dass die vergleichsweise wenigen Jugendlichen, die sich einen geschlechtsuntypischen Beruf vorstellen können, diesen dann doch nicht ergreifen. Denkbar ist, dass sie Ablehnung aus Familie, Freundeskreis oder von Betrieben und im Arbeitsumfeld befürchten oder erfahren haben. Dass in Teilen Veränderungen doch möglich sind, zeigen Beispiele, wie der seit Jahren zunehmend größere Anteil an Studentinnen im Fach Bauingenieurswesen.
Wie zementiert ist also die Aufteilung des Arbeitsmarktes in Männer- und Frauenberufe? Und wo muss man ansetzen, wenn man JETZT etwas ändern möchte? Welche jungen Frauen und Männer werden in geschlechtsuntypischen Berufswünschen bestärkt oder wenden sich von diesen ab? In diesem YES!-Projekt wollen wir in die Tiefe gehen: Wie wichtig sind jungen Menschen berufliche Interessen? Wie blicken Freunde, Eltern oder Lehrkräfte auf eine geschlechtsuntypische Berufswahl und wie werden diese Reaktionen von jungen Menschen wahrgenommen? Und wollen Betriebe, dass ihre Beschäftigtenteams mit Blick auf das Geschlecht diverser werden? Wo sind die Schnittstellen aus diesen Perspektiven, so dass Initiativen entwickelt werden können?


Betreuende Forschende
Brigitte Schels

Foto: Patrice Fuchs
Prof. Dr. Brigitte Schels ist Juniorprofessorin für Arbeitsmarktsoziologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Wissenschaftlerin am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Sie war Gastprofessorin an der Universität Wien. Sie forscht zu sozialer Ungleichheit und zum Übergang Schule – Beruf. Ein wichtiges Thema für sie ist dabei, die Diskrepanz zwischen den beruflichen Zielen von jungen Menschen und deren Umsetzung.
Basha Vicari
Dr. Basha Vicari ist Projektleiterin in der Erwachsenenbefragung des Nationalen Bildungspanels (NEPS) und Wissenschaftlerin im Forschungsbereich „Bildung, Qualifizierung und Erwerbsverläufe“ am IAB. Sie studierte Sozialwissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und promovierte zur Bedeutung des Berufs für Arbeitsplatzwechsel. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf beruflicher Mobilität, ihren Gelingensbedingungen und ihren Folgen für soziale Ungleichheit.